Baupause # 1 im Haus der Schlesinger Stiftung
Hast Du auch schon mit dem Gedanken gespielt, all Deine Besitztümer zu verschenken? Einfach frei zu sein von Altlasten und wieder ganz bei null anzufangen?
Annina Frehner, die Künstlerin die zurzeit im Haus der Schlesinger Stiftung in Wald wohnt und arbeitet, hat genau das im Jahr 2008 vollzogen. Sie hat ihren Besitz akribisch genau katalogisiert und ein vollständiges Inventar erstellt. Danach hat sie alles kostenlos weggegeben. Als Experiment im Rahmen ihres Kunstprojekts „Ausräumung“.
Ausstellung zum Thema "Ausräumung" im Restaurant Harmonie , Wolfhalden
Im Haus der Schlesinger Stiftung durfte ich Annina Frehner besuchen und mit ihr ein Interview führen. Der Text hier berichtet von einer jungen Frau voller Energie und mit vielfältigen künstlerischen Ideen, die sie jeweils intuitiv den momentanen Gegebenheiten anpasst. Nachfolgend ein paar Auszüge aus dem Interview ergänzt mit weiteren Informationen.
Was hat Dich bewogen, all Deine Besitztümer mit Ausnahme Deiner ID und des Bankkontos zu verschenken?
Annina: Ich wollte meine Arbeitsweise ändern. Obwohl ich damals ganz am Anfang meiner Ausbildung stand, hatte ich bereits das Gefühl, mich in meiner Arbeit zu wiederholen, immer das Gleiche zu produzieren. Meine Auseinandersetzung mit statischen Räumen wollte ich erweitern. Es war mein Vorhaben, in Bewegung zu kommen, unterwegs und in Kommunikation mit anderen Menschen zu arbeiten. Ich wollte ausprobieren, wie ich ohne Atelier, ohne mein Werkzeug und die vertraute Umgebung künstlerisch tätig sein konnte. So schuf ich für mich eine komplett neue Ausgangslage und hoffte, dadurch auf neue Ideen zu kommen.
Was hast Du dann in dieser Situation gemacht?
A: Im Anschluss versuchte ich, lebensnotwendige Dinge auf unkonventionellen Erwerbswegen neu zu beschaffen und ohne dauerhaften Wohn- und Arbeitssitz zu leben und zu arbeiten. Zudem musste ich mich mit grundsätzlichen Fragen des Lebens und der Kunstproduktion auseinandersetzen und habe zuerst hauptsächlich konzeptuell, also ohne Material, gearbeitet. Dann war ich ein halbes Jahr in England und habe für Kost und Logis in mehreren Bio-Gärten gearbeitet.
Wie ist es dann weitergegangen?
A: Eigentlich wollte ich von England aus weiter nach Kanada reisen. Dazu kam es aber nicht, weil mein Grossvater starb und es sich irgendwie ergab, auch aus unserer Familienkonstellation, dass ich in sein Haus einziehen durfte. Somit kam wie ein Bumerang wieder ganz viel Besitz zu mir zurück. Ich durfte dort zwei Jahre gratis wohnen und hatte alle Räume samt Einrichtung zur Verfügung. Im Gegenzug kümmerte ich mich um das Haus und pflegte den Garten.
Eines der Hauptthemen im Schaffen von Annina Frehner ist die Auseinandersetzung mit Räumen und Wohnen, mit Architektur und Gestaltung und der damit verbundenen Kommunikation. Das heisst, sie baut bestehende Räume im Kontext mit der Umgebung und auch unter Einbezug der sozialhistorischen Zusammenhänge um. Das führt auch immer wieder zu interessanten philosophischen Fragestellungen.
Kartonmodell der Trichteranlage im Alpenblick in W-T*
Ein Beispiel dazu war die Trichteranlage im Asyldurchgangszentrum Alpenblick in *Wienacht-Tobel. Diese Arbeit entstand 2012 im Rahmen des Minifestivals Kulturlandsgemeinde als Beitrag zum Thema Freiheit im Kontext der ehemaligen Asylunterkunft.
Ausblick aus dem Projekt „Transit“ Trichteranlage
Ab 2011 besuchte sie die Fachklasse Bildende Kunst an der Hochschule in Leipzig. Insgesamt blieb sie neun Jahre in Leipzig. Dort erarbeitete sie u.a. das fast fünfhundertseitige Buch Index No 1, das das gesamte Bildmaterial ihrer meistens temporär angelegten künstlerischen Arbeiten und Unternehmungen bündelt.
2011 und 2015 erhielt die Künstlerin jeweils einen Werkbeitrag von der Ausserrhodischen Kulturstiftung.
Eigentlich wollte Annina Frehner in Wald im Haus der Schlesinger Stiftung eine Baupause machen. Keine Räume umbauen, nichts mit schweren Materialien zu tun haben. Zeit und Musse finden, um mal ein bisschen zu ordnen und zu sortieren, zum Reflektieren und konzeptuell neue Ideen entwickeln.
Aber wie so oft in Anninas Künstlerleben bescherte ihr das Haus der Schlesinger Stiftung und sein Bezug zum Dorf Wald und der weiteren Umgebung neue Inspirationen. Im Kopf fing es an zu arbeiten und neue Ideen machten sich bemerkbar. Wir können gespannt sein, welche Vorhaben uns die Künstlerin in Zusammenhang mit Wald präsentieren wird.
Über ihre Arbeiten, Projekte und Ideen hat Annina Frehner anlässlich der Baupause # 1 vom 8. Februar um 15.00 Uhr in der Schlesinger Stiftung in Wort und Bild berichtet. Der Anlass war gut besucht.
www.schlesingerstiftung.ch